Schatten des Samurais

Installation. 1992.
Lindenholz lasiert, Leder, Bronze, 265 x 50 x 63 cm
Triptychon: Acryl auf Leinwand, dreimal je 206 x 103 cm

Schon die hohe Stele weist einige Kerben und Absätze sowie Asymmetrien auf, die im Torso des Samurai ebenso deutlich sind. Die bewegt geformte Stele bildet darin eine Einheit mit dem Leib des Kriegers. Übergroße Muskelpakete sind – von anatomischer Korrektheit absehend – in rhythmischem Formverlauf wulstartig nebeneinander gesetzt, sie deuten ein Bild eines männlich muskulösen Körper eher an als dass sie es ausmalen. Die Asymmetrie dieses Rumpfes lässt sich als Zitat des klassischen Kontraposts verstehen, der schon in der Stele beginnt. Auch ohne Arme gebietet die mächtige körperliche Erscheinung des Samurai Ehrfurcht. Sind andere Figuren Rosenheims wie etwa der Minotaurus gepanzert dargestellt, obwohl sie doch der Überlieferung nach nicht gerüstet sind, verhält es sich bei dieser Skulptur genau umgekehrt: Es fehlt die eindrucksvolle, aus Leder und Metall bestehende Panzerung des historischen Samurai, es ist allein der Lederpanzer in den Körper aufgenommen. Es ist der nackte Körper zu sehen, seine Verwundbarkeit vorgeführt. Halsschutz und Helm mit Halbmaske entsprechen historischen Vorbildern in der japanischen Samurai-Tradition. Die leeren Augenhöhlen zeigen an, dass wir den Tod vor uns haben.

Das Triptychon ist von Anfang an als Folie der Samurai-Statue gedacht. […] Zuerst hat Rosenheim den Samurai in einer Schwarz-Weiß-Struktur angelegt, dann mit einer Schablone abgedeckt, um anschließend die übrige Bildfläche wie in Action Painting zu bearbeiten. Er hat überwiegend mit dem Pinsel gespritzt, dabei die Malfläche kaum berührt. Anschließend hat Rosenheim die ungerahmte Leinwand hochgehalten und in verschiedene Richtungen gewendet, um Farbspuren in Bewegung zu setzen, deren Verläufe wir nun sehen: „Ich male mit der Schwerkraft“. [Die Farbspuren] stehen in ihrer Andeutung von Bildtiefe in schönem Gegensatz zur dunklen Fläche des Samurai. Dieser Schatten ist zunächst nur flächenhaft, er bekommt aber durch die ihn durchziehenden Farbspuren auch eine plastische Dimension. Die Stränge der Farbverläufe setzen sich in ihm reduziert fort, es sind sogar alle Farben enthalten, allerdings stark zurückgenommen. Im Bild hat der Schatten seinerseits keinen Hintergrund, er ist nicht einfach ein Schatten an der Wand, sondern eine Erscheinung im Raum, was ihm etwas Unheimliches verleiht und seine metaphysische Qualität offenbart. Erinnert sei an die makabren Schatten, die in Hiroshima an manchen Wänden zu sehen waren. Es waren die an die Wand gebrannten Überreste von Menschen, die durch den Atomblitz umkamen.

(aus Katalog Maske des Mythos)

Schatten des Samurai, Acryl und Graphit auf Papier. 1992.

Festgebannt
Vom menschengemachten Licht,
Heller als tausend Sonnen,
Inmitten erstarrenmachender Pracht
Der Wunderfarben des Untergangs,
Im Zentrum des Feuersturms
Der Schatten des Windsäers.
Zu Asche zerfallen
Droht er noch immer
Bis ans Ende der Zeiten.

Bernd Rosenheim. Palagnedra, den 8.11.1992